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Schiffstreibstoffe: Umstellung gelungen

Den folgenden Beitrag veröffentlichte das Fachmagazin BRENNSTOFFSPIEGEL + MINERALÖLRUNDSCHAU in seiner Ausgabe vom Dezember 2015. Informanten waren Dipl.-Ing. Dipl.-Wirtsch.-Ing. Ulrich Nowak, Dipl.-Kfm. Helmut Oldekamp, Nico Ludwigsen und Axel Münch vom fpe sowie Henning Böttcher von der Blue Ocean Mineralöl GmbH.

Seit 1. Januar 2015 dürfen in Nord- und Ostsee Schiffe nur noch mit Treibstoffen fahren, deren Schwefelgehalt 0,1 Masseprozent (m.-%) nicht übersteigt. Die Umstellung – so die Bunkerölbranche – ist gut gelungen. Dennoch bleiben verschiedene technische Probleme, die gelöst werden müssen.

Nicht nur Heizungen oder Autos – auch Seeschiffe müssen sich an Emissionsgrenzwerte halten. Und die werden wie bei allen anderen Verkehrsträgern sukzessive verschärft. So schreibt das Internationale Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (marine pollution – kurz MARPOL) in Anhang VI die zulässigen Schwefelgehalte in Schiffskraftstoffen vor. Von ehemals 5 Prozent sanken sie ab 2012 bereits für alle Meere auf 3,5 Prozent. 2020 bzw. 2025 soll der Schwefelgehalt dann generell auf 0,5 Prozent reduziert werden.

Außerdem gibt es die ECA-Bereiche (Emission Control Areas). Dazu zählen insbesondere die Küstenregionen im Osten und Westen der USA und die Nord- und Ostsee. Letzteres ist für die deutschen Mineralölunternehmen, die sich mit der Bunkerversorgung – also der Betankung von Schiffen – befassen, besonders interessant.

Denn in den ECA-Fahrgebieten müssen Schiffstreibstoffe ab 1. Januar 2015 einen Schwefelgehalt von 0,1 m.-% einhalten. Dabei ist durchaus damit zu rechnen, dass weitere ECA-Räume hinzukommen. Wie das gesamte Mittelmehr, die Küsten Norwegens, Japans oder im Süden der USA.

Herkules-Aufgabe für den Mineralölmittelstand

„Im Prinzip mussten wir in rund drei Wochen komplett umstellen“, erinnert sich Nico Ludwigsen, Manager Marine Fuels bei Blue Ocean Mineralöl in Hamburg. Die Schiffseigner und Charterer wollten nicht nur aus technischen, sondern vor allem wirtschaftlichen Gründen so lange wie möglich mit dem bisher gebräuchlichen Schweröl fahren. Die Alternativen – Gasöl oder schwefelarmer Marinediesel (MDO) – haben schlicht einen höheren Preis, und der Wettbewerb auf hoher See ist ebenso so knallhart wie auf der Straße oder in der Luft.

„Eine gewisse Erleichterung verschaffte uns der starke Preisverfall beim Mineralöl, der den Schifffahrtsgesellschaften den Umstieg einfacher machte“, sagt Helmut Oldekamp, Geschäftsbereichsleitung Heizöl schwer/Fuel Oil bei Mabanaft Deutschland in Hamburg. Dennoch blieb das Zeitfenster für die Mineralölmittelständler extrem klein, in dem sie die gesamte Logistikkette – von der Versorgung über das Lager bis zu den Bunkerbarges, den Lastkähnen für die Betankung der „großen Pötte“ anpassen konnten. Die von einigen im Vorfeld vermutete Verknappung im Mitteldestillatmarkt trat indes nicht ein. „Und die Umstellung verlief reibungslos, worauf die Branche stolz sein kann“, so Ulrich Nowak, Prokurist bei der GMA Gesellschaft für Mineralöl-Analytik und Qualitätsmanagement und Vorsitzender des Förderkreises Preiswert-Energie.

Konsequenzen für die Technik

Doch der Treibstoff ist nur das eine. Mindestens ebenso wichtig ist die technische Seite der Umstellung. Denn wenn die Schiffsmotoren und deren Peripherie statt mit schwerer, hochviskoser Bunkerware nun mit leichten niedrigviskosen Mitteldestillaten betrieben werden, ergeben sich verschiedene Probleme, wie Prof. Dr.-Ing. Friedrich Wirz von der TU Hamburg-Harburg erläutert. Generell, so der promovierte Maschinenbau-Spezialist, gibt es zwei Möglichkeiten, die ECA-Anforderungen zu erfüllen: durch Umschalten des Kraftstoffes oder durch Abgasnachbehandlung.

Ein wesentliches Entscheidungskriterium, welche Variante gewählt wird, ist der Zeitanteil, wie lange bzw. wie häufig ein Schiff die ECA-Zonen befährt. Außerdem spielen schiffbauliche Aspekte, die Motorleistung und natürlich die Tatsache, ob es sich um einen Schiffsneubau oder einen Umbau handelt, eine Rolle.

Unter der Annahme, dass ein Schiff nicht nur in ECA-Gewässern verkehrt, also auf den Weltmeeren mit Schweröl fährt, wird ein Neubau mit zwei unabhängigen Systemen ausgerüstet, was von vorn herein Unverträglichkeits-Erscheinungen ausschließt.

Bei einem Umbau ist das nicht unbedingt möglich. Immerhin passt so ein Schiffsaggregat nicht unter die Motorhaube. Hier werkeln Maschinen von der Größe eines Mehrfamilienhauses, die rund 100.000 PS auf die Schraube bringen. Die Tanks fassen bis zu 12.000 Tonnen. Das entspricht rund 500 Tanksattelzügen.

Wird bei einem solchen Motor der Kraftstoff gewechselt werden, hat das in vielen Bereichen Konsequenzen – vor allem, wenn bei voller Fahrt zwischen Leicht- und Schweröl umgeschaltet werden soll.

Wird beispielsweise kaltes Destillat in ein warmes System geleitet, können die Viskosität unter den Sollbereich fallen und die Einspritzpumpen klemmen. Findet beim Umschalten eine schlechte Durchmischung statt, pendelt die Viskosität entsprechend. Außerdem können die im Normalfall im Schweröl gut gelösten Asphaltene durch das Destillat ausgewaschen werden, wodurch die Gefahr der Verklumpung entsteht - mit wahrscheinlichen Störungen in Pumpen und Düsen.

Der Dieselbetrieb führt schließlich zu einer schlechteren Schmierung oder gar Leckagen von Einspritzpumpen und -komponenten. Außerdem hat Diesel eine höhere Zündwilligkeit und durch den niedrigeren Schwefelgehalt einen geringeren Säureanfall.

Diese Veränderungen müssen beim Einsatz der Schmieröle berücksichtigt werden, die eine ganze Reihe von Aufgaben im Schiffsmotor zu erfüllen haben: schmieren, kühlen, dichten, Schmutz aufnehmen und forttragen, vor Korrosion schützen und die Säurewirkung neutralisieren. Bei Zweitaktmotoren ist daher ein zweites Zylinderölsystem oder ein Blending an Bord erforderlich. Bei Viertaktmotoren kann immer nur die Nachfüllmenge des Umlauföles angepasst werden.

Mit der gezielten Formulierung entsprechender Additive wird nun versucht, die unterschiedlichen Einflussfaktoren und Verbrennungseigenschaften bei einem Kraftstoffwechsel aufzufangen.

Weitere Alternativen

Alternativ können die ECA-Grenzwerte durch Abgasreinigung erfüllt werden. Allerdings sind auch dafür technische Umbauten nötig. Sowohl bei der Nass-Entschwefelung (Scrubber-Technologie) als auch bei der Trockenentschwefelung mit Kalkhydrat.

Ein ganz anderer Weg wäre der Einsatz von Erdgas (LNG = liquefied natural gas) als Schiffstreibstoff, das das Emissionsproblem in mehrfacher Hinsicht lösen würde. Das lohnt sich vor allem bei Schiffsneubauten oder Binnenschiffen, die ohnehin nicht mit Schweröl fahren. Allerdings sind Neubauten rückläufig, und die Projekte für die erforderliche LNG-Infrastruktur kommen nicht voran.

Nachrüstungen auf bestehenden Schiffen halten Brancheninsider derzeit insbesondere angesichts des niedrigen Ölpreises für unwahrscheinlich.

Klassische Bunker-Kraftstoffe vor dem Aus?

Die Bunker-Experten sagen einhellig: „Nein“. Bis 2020 bzw. 2025 wird Schweröl noch wie bisher als Schiffstreibstoff eingesetzt. Wenn nicht in den ECA-Gebieten, dann außerhalb. Für die bestehende Technik und unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist das Schweröl unschlagbar. Methoden zur Emissionsminderung und Möglichkeiten, die ECA-Anforderungen zu erfüllen, gibt es, und sie werden weiterentwickelt. Außerdem wird bereits heute zu großen Teilen Schweröl als Schifftreibstoff mit 1 m.-% Schwefel geliefert.

Dass die Umstellung im Bunkersegment kaum Auswirkungen auf den Gesamtmarkt hatte, zeigen die Absatzzahlen. Diesel und Schweröl legten im Vergleich zum Vorjahr beide zu.

Wie sich dieses Geschäft weiter entwickelt, hängt vom Ölpreis ebenso ab wie von den gesetzlichen Anforderungen und der Position der Schiffsbetreiber. Ein Eigner hat mehr Interesse daran, sein Schiff auf den neusten Stand zu bringen als ein Charterer, der vor allem billig fahren will. Es bleibt also spannend für die im Arbeitskreis Bunkeröle zusammengeschlossenen Unternehmen. Die Mineralölmittelständler und ihre Partner sind aber optimistisch, konnten sie doch bis jetzt die bestehenden Herausforderungen sehr erfolgreich meistern.

Arbeitskreis Bunkeröle

Der „Arbeitskreis Bunkeröle“ wurde von den Verbänden AFM+E Außenhandelsverband für Mineralöl und Energie, dem Förderkreis Preiswert-Energie (FPE),als Interessenvertretung für Heizöl Schwer, Bunkeröle und Heizöl Leicht– beide Mitglieder bei MEW Mittelständische Energiewirtschaft Deutschland – gegründet. Zu den Mitgliedern des Arbeitskreises zählen Bunkergesellschaften, unabhängige Mineralölproduzenten, Additivhersteller, Tanklagerunternehmen und Prüflabore sowie Firmen aus dem Bereich Anwendungstechnik wie Tankschutz, Industriemontagen, Ingenieur-Büro, Brennerhersteller.

Der Arbeitskreis beschäftigt sich sowohl mit der Umsetzung der MARPOL- und ECA-Anforderungen, den Anforderungen an die Mineralölunternehmen als auch mit technischen Fragestellungen im Zusammenhang mit der Einführung neuer Schiffstreibstoffe.

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